Unternehmerische Freiheit am Gängelband der Autoindustrie – der schwierige Freiheitskampf der deutschen Modellauto-Hersteller – Unternehmen und DVSI streiten mit Volkswagen über Lizenzgebühren
Gelten höchstrichterliche Entscheidungen auch für die Automobilbranche? Im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie e.V. (DVSI) herrscht darüber Irritation. Denn die Interessenvertretung der Spielwarenunternehmen ist empört über eine Klage der Volkswagen AG gegen einen Hersteller von Modellautos wegen Lizenzgebühren.
Bereits 1929 stellte die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ fest, dass Modellautos die Eisenbahn als beliebteste Spielware abgelöst hätten. Seit damals stehen lebensechte Nachahmungen der realen Vorbilder aus Straßenverkehr und Motorsport in der Gunst der Kinder nicht nur an Weihnachten ganz oben.
Die Spielwarenhersteller, von denen in Deutschland rund 230 im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) organisiert sind, nutzen dabei gegenüber den Vorbildproduzenten ihr seit Generationen tradiertes Recht, die reale Welt im Kleinen originalgetreu nachzubilden, während die Automobilhersteller ihrerseits von der frühen Bildung von Markenpräferenzen und der Förderung des Interesses am Automobil profitierten. Denn: Autoliebe beginnt im Sandkasten oder auf dem Wohnzimmerteppich.
„Bis weit in die 80er Jahre hinein funktionierte diese Beziehung weitgehend reibungslos, konstruktiv und ohne allzu große gegenseitige Einflussnahme. Die Eltern wiederum gaben ihre automobilen Präferenzen an den Nachwuchs weiter, indem sie ihre eigenen Alltags- und Traumwagen verschenkten“, erläutert Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des DVSI.
Diese klassische „Win-win-Situation“ ist durch übertriebene und ungerechtfertigte Lizenzforderungen der Automobilindustrie seit einigen Jahren in eine Schieflage zu Lasten der deutschen Spielwarenproduzenten und -importeure geraten.
Dabei bringt die augenblickliche Situation Nachteile für alle Seiten: Die DVSI-Mitglieder betrifft dies genauso wie die Automobilhersteller und die Spielwaren kaufenden Eltern. Der Rückgriff auf abstrakte Fahrzeugtypen, die bei den Kunden auf deutlich weniger Resonanz stoßen, ist für Brobeil keine Lösung.
Auch die Automobilindustrie kann dies nicht wollen. Sie würde schließlich die Möglichkeit verlieren, junge Menschen schon früh von ihrer Marke und ihren Produkten zu begeistern. Und das gerade in einer Zeit, in der viele spät oder gar keinen Führerschein mehr machen, immer mehr Leute Car-Sharing nutzen und die Smartphone-Marke entscheidender ist als das Emblem auf dem Kühlergrill.
Trotz permanenter Dialogbereitschaft des DVSI sperrt sich aber insbesondere die Marke Volkswagen vehement gegen eine für alle Seiten angemessene Lösung, während einige andere Automobilhersteller mittlerweile Einsicht zeigen. Wie die Autohersteller selbst bestätigen, ist dieses Lizenzgeschäft dabei für sie finanziell gar nicht einmal besonders relevant.
Stärker wögen hier die Negativeffekte durch die unterbliebene kostenlose Werbung im Kinderzimmer. Und dies in einer Branche, die ansonsten große Millionenbeträge in ihre Kampagnen investiert.
Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu grotesk, dass seit Jahren versucht wird, Lizenzeinnahmen von den mittelständischen Spielwarenherstellern zu generieren, die mit ihren Produkten eben jene Reklameleistung kostenlos miterbringen.
Um den Widerstand betroffener Spielwarenmarken auszuhebeln, wenden sich einige Fahrzeughersteller mit ihren Lizenzforderungen sogar auch direkt an deren beauftragte Produktionsfirmen. Doch nicht nur durch die verlangten Gebühren legt die Autoindustrie den Spielwarenherstellern regelmäßig Steine in den Weg.
Zu Unrecht werden auf ihr Betreiben immer wieder auch Spielwarensendungen aus „Lizenzgründen“ am Zoll aufgehalten, wodurch es teilweise zu erheblichem Lieferverzug kommt – gerade für kleinere Betriebe können die Folgen Existenz gefährdend sein.
Es geht dem DVSI als Verband jedoch nicht nur darum, ob die gängige Praxis der Lizenzvergabe sinnvoll ist. Die Frage lautet auch, ob sie statthaft ist und wie der aktuellen Benachteiligung Einhalt zu gebieten ist. „Unsere Mitglieder müssen sich seit 1988 – und das bis heute – immer wieder in kostspieligen Prozessen gegen die unberechtigten Forderungen der Automobilindustrie wehren.
Dabei stellte der EuGH bereits fest, dass es das klassische Recht der Spielwarenindustrie sei, Vorbilder originalgetreu nachzubilden, um sie ins Kinderzimmer zu bringen“. DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil ist vor Weihnachten enttäuscht von der Marke Volkswagen, die durch den Abgasskandal bei manipulierten Dieselfahrzeugen weltweit in der Kritik steht.
„Wir hatten am 28. Juli ein Gespräch mit Vertretern der Automobilhersteller, um sachlich die Angelegenheit zu klären und Ruhe in die Problematik zu bringen. Es ging auch darum, Rechtsstreitigkeiten zu beenden und für die Zukunft zu vermeiden.
Auf der Agenda stand: Kooperation anstatt Konfrontation. Doch dann mussten wir hinterher feststellen, dass Volkswagen am selben Tag Klage gegen unser Mitglied, den Modellautohersteller Premium ClassiXXs, eingereicht hat. Dies wurde von VW während des Treffens mit keiner Silbe erwähnt“, schildert Ulrich Brobeil das aus seiner Sicht unmögliche Verhalten von Volkswagen.
Der DVSI und die Modellautohersteller haben deshalb Mitte Oktober den erfolgversprechenden Dialog mit dem Volkswagen Konzern „bis auf weiteres“ eingestellt. Am 5. Dezember ist der DVSI dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf Seiten des Herstellers Premium ClassiXXs beigetreten.
„Letztendlich ist es nicht das Verbandsziel, die Automobilindustrie zu bekämpfen, sondern sie als Partner zu gewinnen und dort bei allen Beteiligten die Leidenschaft für das Projekt Modellauto zu wecken“, so Ulrich Brobeil.
Der DVSI-Geschäftsführer unterstreicht: „Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie sucht deshalb den Dialog mit und die Nähe zu den Automobilherstellern, um eine Lösung zu finden, bei der am Ende alle Gewinner sind.“