Sehr geehrter Frau Jule Jensen,
Sie sind die sprichwörtliche Mutter von Lizzy vom Eichistern, einem fiktiven Eichhörnchen, welches durch die Welt reist und zahlreiche Abenteuer erlebt.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, diese Kindergeschichten zu schreiben?
Jule Jensen: Lizzy ist quasi auf dem Wickeltisch unseres Sohnes Philip entstanden. Damals war sie noch ein kleiner Elefant in Sternenlatzhose, der bei seinen regelmäßigen Besuchen im Kinderzimmer von seinen Reisen erzählte.
Später wurde aus dem Elefanten ein Eichhörnchen.
Die Redaktion: Was ist eigentlich das Besondere an Lizzy?
Jule Jensen: Sie ist ein lebenslustiges, aufgewecktes und offenherziges Eichhörnchenmädchen. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem Mond, reist sie auf andere Sterne und lernt dabei die unterschiedlichsten Bewohner kennen. Sie erfährt dabei etwas über die Lebensweise der anderen und schlichtet als kreative Friedensstifterin so manchen Konflikt.
Immer wieder kehrt sie in die sichere und behütete Umgebung des Eichisternes zurück, wo sie ihrem Eichhörnchen Freund Konrad von ihren Erlebnissen erzählt.
Die Redaktion: Seit 1997 erscheinen die Geschichten von Lizzy, die es ja auch als Hörbuch gibt. Und gleich im Januar erscheinen zwei neue Hörbuchgeschichten, „Lizzy fliegt zum Kuhstern“ und „Lizzy fliegt zum Affenstern“. Um was geht es in diesen Geschichten?
Jule Jensen: Auf dem Kuhstern lernt Lizzy das Kälbchen Alwin kennen, das allen anderen ganz schön auf die Nerven geht. Alwin ist nämlich ein richtiger Angeber. Schnell findet Lizzy jedoch heraus, dass sich hinter der Fassade des Aufschneiders ein verletzlicher und ängstlicher Alwin verbirgt.
Auf dem Affenstern erlebt Lizzy, wie der etwas zu dick geratene Affe Don von den anderen gehänselt und regelrecht ausgegrenzt wird. Don, der schon selbst nicht mehr an sich glaubt, erfährt durch Lizzy, dass er durchaus das Zeug zum Super-Affen hat.
Die Redaktion: Sind Sie bei der Produktion der Hörgeschichten mit anwesend und haben Sie auch die Sprecher mit ausgewählt?
Jule Jensen: Ja, tatsächlich habe ich das Vergnügen gehabt, einige Aufnahmen mitzuerleben, da ich selbst auch eine Sprecherrolle übernommen habe und Brunhilde Baumhaus meine Stimme leihe. Die wesentlichen Hauptrollen haben wir mit professionellen Sprechern und Sprecherinnen besetzt. Lizzy wird von Tanja Dohse-Zimmermann gesprochen, der Mond von Nikolaus Schlieper, Johannes Haag spricht Konrad und Hans-Jürgen Isenbarth Balduin Baumhaus.
Die Auswahl der Sprecher und Sprecherinnen haben wir immer zusammen mit dem ganzen Team getroffen. Die Nebenrollen wurden mit Bekannten und Freunden besetzt, die viel Spaß bei den Aufnahmen hatten.
Die Redaktion: Sie schreiben sehr viel für Kinder. Sind Geschichten für Kinder schwerer zu entwickeln als Geschichten für Erwachsene?
Jule Jensen: Das kommt darauf an, ob man sich eine unvoreingenommene Erlebniskultur bewahren konnte. Ich gehe, genau wie Lizzy, offen und staunend durch die Welt. Bevor ich eine Situation bewerte, sehe ich erst einmal ein Phänomen, das ich begreifen möchte. Kinder sind in ihren ersten Lebensjahren ganz mit ihren inneren Erlebnissen und Bildern beschäftigt.
Es scheint, als birgt jeder Tag ein Wunder in sich. Da ich in den letzten Jahren beruflich viel mit Kindern zu tun hatte, habe ich mir diese Sicht bewahren können. Das hilft mir natürlich beim Schreiben meiner Geschichten. Manchmal halte ich Seminare für Erwachsene und stelle fest, dass die Vorbereitung der Skripte eine andere Herangehensweise erfordert.
Grundsätzlich bin ich aber immer bemüht, mit meinen Texten beim Zuhörer innere Bilder entstehen zu lassen, gerade wenn es sich um die Vermittlung von Wissen handelt.
Die Redaktion: Muss ein Autor ständig einen Schreibblock mit sich führen, um schnell seine Ideen aufzuschreiben?
Jule Jensen: Ich kenne einige Autoren, die dies tun oder auch ein Diktiergerät mit sich tragen. Ich kann so nicht arbeiten. Meine Geschichten entstehen aus einem Gefühl heraus. Manchmal habe ich das Glück, in solchen Momenten sofort alles aufschreiben zu können.
Doch meistens bin ich gerade mit anderen Dingen beschäftigt. Mittlerweile habe ich gelernt, dass nicht jeder Geistesblitz sofort festgehalten werden muss. Gute Ideen vergisst man nicht und findet auch nach Stunden und Tagen wieder einen Zugang zu ihnen.
Die Redaktion: Können Sie sich vorstellen, auch einmal ein Spiel zu entwickeln, denn Lizzy würde sich dazu auch anbieten?
Jule Jensen: Ja, unbedingt und wir haben in unserer Familie bereits darüber gesprochen. Die Grundidee des Spieles sollte Zusammenarbeit und Miteinander unterstreichen und nicht gewinnen und verlieren, damit es zu Lizzy vom Eichistern passt.
Frage: Wurde bei Ihnen zu Hause viel gespielt?
Jule Jensen: Ich kann mich an viele Nachmittage und Abende erinnern, an denen mein jüngerer Bruder und ich mit meinen Eltern am Esstisch saßen und gemeinsam spielten.
Die Redaktion: An was können Sie sich dabei erinnern? Was war Ihnen aus heutiger Sicht dabei wichtig? Und was haben Sie als Kind mit Ihren Eltern gespielt?
Jule Jensen: Das Schönste an diesen Spieleabenden mit meinen Eltern war, dass wir zusammen etwas unternahmen, das allen Freude machte und uns damit den manchmal stressigen Alltag um Job, Schule und Haushalt vergessen ließ. Als wir noch jünger waren, haben wir sehr gerne Memory gespielt.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sich in meinem Kopf manchmal alles zu überschlagen schien, weil ich plötzlich wusste, wo die zweiten Karten lagen und es kaum erwarten konnte, endlich dran zu sein.
Später kamen dann populäre Spiele wie „Spiel des Lebens“ „Activity“ und auch viele Karten- und Würfelspiele dazu. Für meinen Vater war es eine große Freude, uns Kindern „Kanaster“ bei zu bringen.
Die Redaktion: Was würden Sie Eltern raten, wie wichtig es wäre, mit ihren Kindern zu spielen?
Jule Jensen: Wie schon in meiner Kindheit ist die Spielzeit auch heute eine gute Gelegenheit, den Alltag einmal auszutricksen und zu entschleunigen. Ganz wichtig ist jedoch, dass gemeinsames Spielen auch wirklich Spaß macht. „Spielen auf Rezept“ ist keine gute Idee und führt eher zu Streit und Tränen.
Gerade Erwachsene neigen dazu, sich auf Spiele einzulassen, ohne im Inneren wirklich loslassen zu können. Kinder spüren sehr genau, ob die Eltern mit Spaß und Freude bei der Sache sind oder nicht.
Die Redaktion: Was ist eigentlich Ihr Lieblingsspiel?
Jule Jensen: Zu meinen Favoriten zählt Das Spiel „Ligretto“, dass in den 80-zigern von meinem Mann auf den Spielemarkt gebracht wurde. Ich liebe diese Idee, dass alle Spieler gleichzeitig spielen. Wenn ich in Spiellaune bin, ist es mir jedoch oft gar nicht so wichtig, welches Spiel wir spielen, sondern dass möglichst alle, die mitspielen, fröhlich dabei sind.
Die Redaktion: Verlieren tut man ja nicht gerne, manche sind wütend und wollen nicht mehr spielen. Wie kann man das Verlieren im Spiel Kindern beibringen?
Jule Jensen: Das ist natürlich auch bei uns passiert. Verlieren und gewinnen sind Erfahrungen, die Kinder ja nicht nur beim Spielen machen. Wir wären verrückt, wenn wir glauben würden, wir könnten sie unseren Kindern ersparen. Wir können aber immer vorleben, wie wir mit diesen Erfahrungen umgehen. Es gehört dazu, dass Niederlagen dazu führen, dass Kinder sich zeitweise dem Spielen verweigern.
Ich glaube, es ist wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass Gewinnen und Verlieren eben nur zwei Aspekte des gemeinsamen Spielens sind. Bei uns haben wir öfter mal darauf verzichtet, nach einer „Ligretto“ Runde die Karten auszuzählen, um einen Gewinner zu ermitteln.
Die meisten Spiele sind ja darauf ausgelegt, so eine Polarität zu erschaffen. Wenn das, was dazwischen passiert, in fröhlicher Runde geschieht, ist es irgendwann auch gut auszuhalten.
Die Redaktion: Wie drücken Sie Freude beim Spielen aus?
Jule Jensen: Wenn ich mich zum Spielen an den Tisch setze, dann nur, wenn ich auch wirklich Lust dazu habe. Das drücke ich natürlich in Mimik und Gestik aus. Gelungene Spielzüge entlocken mir ein fröhliches „Ja!“. Das bezieht sich übrigens auch auf die meiner Mitspieler.
Natürlich bekunde ich auch meinen Ärger und meine Enttäuschung, wenn es mal nicht so glücklich läuft. Spielen wir in Teams, klatschen wir uns auch schon mal ab, wenn wir punkten können. Das Ausloten der persönlichen Grenzen ist beim Spielen eine wichtige Erfahrung. Manchmal ist die zu dick aufgetragene Freude des einen eine Verletzung des anderen.
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Jule Jensen: Im Augenblick arbeite ich an einem neuen Kinderbuch über unseren großen Hund, einem Leonberger.
Die Protagonisten sind alle Tiere. Schafe, Ziegen, Hühner, Katzen, Schweine, Pferde – eben alles, was so auf einem Bauernhof lebt. Natürlich geht es auch hier wieder darum, wie so viele verschiedene Charaktere es schaffen, respektvoll und rücksichtsvoll miteinander zu leben.
Die Redaktion: Wir bedanken uns recht herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.