Hartz dir einen

Bild Politik zum Anfassen

Das Thema ist (noch immer) in aller Munde. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass in irgendeiner Talkshow, Wahlkampfrede oder in einem Leitartikel über Sinn und Unsinn des ALG II fabuliert wird.

Unabhängig von der Detailkritik geht es bei dieser Debatte im Kern um die emotional und kontrovers geführte Frage, welche Art von Gerechtigkeit die Gesellschaft anstreben sollte. Dieser Streit wird mit einer ganzen Palette an rhetorischen (Fehl-)Griffen und einer beispielhaften Auswahl an Kuriositäten der Verwaltungspraxis zusätzlich befeuert.

Kurzum: Gerade für Komiker, Zyniker und Satiriker bietet sich „Hart IV“ als dankbares Betätigungsfeld an. Ein Spiel zum Thema, versehen mit bissigem (Wort-)Witz und bitterbösem schwarzem Humor, suchte man bislang vergebens. Auf der „SPIEL `11“ in Essen glaubten wir mit „Hartz dir einen“ endlich fündig zu werden…

… und wurden herb enttäuscht. Es ist nicht einmal so, dass wir der Idee gegenüber nicht aufgeschlossen wären. Das Thema ist mehr als dankbar, denn wer ein Händchen für Ironie und Sarkasmus hat, kann hier aus dem Vollen schöpfen. Der Fundus an Möglichkeiten ist schier unerschöpflich:

Es gibt zahlreiche Studien, ein Meer an intellektuell anspruchsvollen Auseinandersetzungen, polemischen Tiraden, wandelnde Klischees im TV, austauschbare Sonntagsreden und platte Stammtischparolen, an denen man sich hätte abarbeiten können. „Hätte“ ist dabei das entscheidende Wort, denn um ein ansprechendes Spiel zu diesem Thema zu fertigen, ist der Rückgriff auf diesen Fundus nahezu unerlässlich.

Eben dieser Punkt wird dem „Hartz dir einen“- Käufer spätestens nach dem fragwürdigen Spielgenuss bewusst. Leider ist es dann zu spät, das investierte Geld ist dann erst mal futsch. Sicherlich, die Spielidee ist wunderbar, geradezu genial. Aber die Spielidee allein ist noch keine Garantie für großen Spielspaß. Wenn es an der Umsetzung krankt, dann ist selbst der brillanteste Einfall vollkommen wertlos. Und genau an dieser Stelle krankt es bei diesem Spiel.

Bereits der Spielmechanismus ist nicht besonders überzeugend. Ein wenig erinnert die Aufmachung an den Spielklassiker „Mensch ärgere dich nicht“: Die Spieler jagen ihre Figuren im Kreis und müssen möglichst schnell eine bestimmte Anzahl an Runden überwinden. Kommt der Spieler dabei auf ein rotes Feld, gibt es eine Strafrunde.

Ein blaues Feld hingegen löst ein Ereignis aus, dass einen entweder nach vorn rücken lässt oder zu einem „Rückzug“ zwingt. Eine ausgeklügelte Spielmechanik gibt es hier nicht, was wiederum bedeutet, dass Unterhaltungswert und Alleinstellungsmerkmal sich ausschließlich auf den Aspekt der Satire konzentriert. Im Grunde kein Problem, sofern der oder die Macher ihr Handwerk beherrschen…

… und genau das wird hier zu einem massiven Problem: Die Karten – also der Dreh- und Angelpunkt des Unterhaltungswertes des Spiels – sind eine einzige Katastrophe. Im Grunde müssen die Karten drei Anforderungen erfüllen: Zum einen sollten diese ein vernünftiges Layout, ein stimmiges Design vorweisen und die grundlegenden Regeln der deutschen Sprache eingehalten werden. Zum anderen muss der Spielinhalt ansprechend sein und in seiner Ausgestaltung ins sprichwörtliche Schwarze treffen.

Fazit

Leider scheitert das Spiel an allen drei Punkten: Aus unerfindlichen Gründen wird der Text derart ungünstig zentriert abgebildet, dass einzelne Zeilen von relativ kurzen Wörtern eingenommen werden. Zudem verzichtete der Entwickler auf Illustrationen und verpasst den einzelnen Buchstaben einen unästhetischen Tiefdruck-/Schatten-Effekt.

Das wäre noch zu verschmerzen, wenn der Autor wenigstens Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck einwandfrei angewendet hätte. Auch hier wurde gewaltig geschlampt. Das Schlimmste jedoch ist, dass das Ganze auch nicht wirklich witzig ist. Die Texte gäben ein gutes Konzept, vielleicht eine interessante Vorgabe für Texter mit Talent ab.

Aber als Finalversion?! Kein Wortwitz, keine brillanten Pointen und auch keine Seitenhiebe auf den soziokulturellen, verwaltungstechnischen oder politischen Hintergrund. Kurzum: Der Text bleibt platt und ohne jedweden Biss oder Stil. Selbst der Website zum Spiel und zum Spielthema (http://www.politikzumanfassen.com) fehlt es an Gestaltung und Inhalt – von Witz, treffsicheren Pointen oder kritischer Analyse mal ganz abgesehen.

Kasus knacktus des Problems sind die Spielkarten, die unbedingt überarbeitet werden müssten. Der Autor sollte sich hier entscheiden, ob er einen gewissen Witz einbringen möchte oder das Thema kritisch-reflektiert (also etwas ernsthafter) angehen will. Unabhängig davon sollte sich jemand an die Überarbeitung machen, der tatsächlich über die Fähigkeiten verfügt dies, inhaltlich wertvoll und gestalterisch ansprechend umzusetzen.

In der vorliegenden Form jedenfalls ist es aus unserer Sicht – für einen Preis von knapp 20€ (inkl. Versand) – nicht wirklich brauchbar. Schade eigentlich…(S.Ziegler)

 

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 20 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.