Sehr geehrter Herr Michael Luu,
Sie sind Autor des Spiels Rob ´n Run (PD Verlag) und Sie sind studierter Wirtschaftssinologe.
Die Redaktion: Was ist eigentlich ein Wirtschaftssinologe?
Michael Luu: Das sind Menschen, die in ihrem Beruf Erfahrungen in Wirtschaftswissenschaften und in der chinesischen Sprache mitbringen. Mit dieser Doppelqualifizierung arbeiten sie als kulturelle Schnittstelle zwischen dem europäischen und asiatischen Wirtschaftsraum.
Ich kann also beispielsweise dafür sorgen, dass Deutsche und Chinesen gemeinsam an einem Tisch Doppelkopf oder Majiang spielen. Das hat mich ein 4-jähriges Studium gekostet. *Lach*
Die Redaktion: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Spieleautor zu werden?
Michael Luu: Was mich an Brettspielen so begeistert, ist, dass ein so „einfaches“ Produkt, welches meistens aus Pappe, Holz und etwas Plastik besteht, so viel verschiedene Emotionen bei den Spielern erzeugen kann.
Ich habe schon immer gerne gespielt und auch Spielregeln verändert, weil ich überzeugt war, dass ich das Spiel dadurch besser machen würde (jaja, „Hochmut kommt vor…“).
Auch eigene Spielideen habe ich zu meiner Jugendzeit umgesetzt. Irgendwann habe ich entschieden, dass ich mit meinen eigenen Spielen auch Menschen begeistern möchte, so wie ich von anderen Spielen begeistert wurde. Ich wollte anfangen meine Geschichten in Form von Brettspielen zu erzählen.
Die größte Anerkennung für mich ist zu beobachten, wie viel Spaß und Freude die großen und kleinen Spieler mit meinen Spielen haben. Dafür lohnt es sich, Spieleautor zu sein.
Die Redaktion: Sie haben 2013 ein Spieleautorenstipendium von der Jury Spiel des Jahres erhalten. War dieses Stipendium hilfreich für Ihre Entwicklung als Spieleautor?
Michael Luu: Es war für mich eine einzigartige Erfahrung, die mir in meiner persönlichen Entwicklung als Spieleautor sehr weitergeholfen hat. Ich habe insgesamt 4 Praktika durchlaufen: Beim Erfinderstudio von Jens-Peter Schliemann, bei Ravensburg, bei Hans im Glück und in der Spieleburg in Göttingen.
Neben den vielen fantastischen Menschen, die ich kennengelernt habe, habe ich auch einen sehr tiefen Einblick in die Brettspielbranche bekommen. Das hat mir geholfen zu verstehen, worauf es den Verlagen ankommt und wie sie Spiele bewerten.
Diese „Aha-Erlebnisse“ sind wichtig, um in der Spieleentwicklung voranzukommen. Ich habe beispielsweise dadurch gelernt, Schwächen in meinen Spielideen schneller zu erkennen. Ich kann allen Hobby-Autoren wärmstens ans Herz legen, die Möglichkeit des Stipendiums auch zu versuchen.
Die Redaktion: Um was geht es in Rob ´n Run (PD Verlag)?
Michael Luu: Wir sind Räuber auf der Flucht vor der Polizei. Um als Sieger hervorzugehen müssen wir gemeinsam versuchen, den sicheren Flughafen zu erreichen und uns dabei nicht von der Polizei einholen zu lassen. Dies wird im Spiel visuell mit zwei Figuren dargestellt, die sozusagen „Räuber und Gendarm“ spielen.
Damit uns das gelingt, versuchen wir die Tresore der Banken, Museen und Casinos zu knacken. In jedem Raubzug übernimmt ein Spieler die Rolle des Gangsterbosses, während die anderen Mitspieler die Komplizen sind. Doch nur der Boss weiß, welche der 7 Werkzeuge in welcher Häufigkeit benötigt werden, um die Tresore aufzustemmen.
Daher gibt er vom Fluchtwagen (= Sichtschirm) aus Hinweise und seine Komplizen müssen diese Informationen versuchen richtig zu deuten. Haben sie die richtigen Werkzeuge zusammen, dürfen sie mit ihrer Figur Schritte in Richtung Flughafen laufen und sich über Goldbarren freuen. Sollten sie jedoch zu viele falsche Werkzeuge benutzt haben, lösen sie den Alarm aus, der den kleinen Polizisten in Bewegung bringt.
Rob ´n Run ist ein gehobenes Familienspiel, bei dem sich der Boss und die Komplizen unter erschwerten Bedingungen verständigen müssen. Das Thema soll dabei nicht zu ernst genommen werden und wird humorvoll präsentiert.
Wir sind keine Profis, sondern sind mehr die Olsenbande. Oder habt ihr schon mal Räuber gesehen, die mittelalterliche Rammböcke benutzen?
Die Redaktion: In Ihrem Spiel geht es darum, dass man unter anderem Banken ausräumt. Wie viel Ihrer Spielfiguren steckt in Ihnen selber?
Michael Luu: Ich würde sagen, die Räuber in diesem Spiel sind lustig, naiv und frech. Ich glaube, dies sind durchaus Eigenschaften, die auch auf mich zutreffen. In die Rolle von Räubern musste ich bisher aber nur spielerisch schlüpfen. Also keine Sorge: Das Spiel ist kein Auszug aus meiner Biographie.
Die Redaktion: Wie kamen Sie auf die Idee, Ihr Spiel mit dem PD Verlag zu veröffentlichen?
Michael Luu: Der PD Verlag ist aufgrund seiner Lage gut mit Spieletreffs in Hamburg vernetzt. Dadurch habe ich schon früh den Redakteur Frank Lamprecht kennengelernt, der auch mein Spiel getestet hat. Die Spielidee hat durchaus sein Interesse geweckt, allerdings konnten wir uns beide nicht vorstellen, dass sie ins Verlagsprogramm passen könnte, da bisher nur Strategiespiele von Mac Gerdts veröffentlicht wurden.
2016 hat er mir auf der SPIEL in Essen aber ein Treffen mit dem Verlagschef ermöglicht. Nachdem ich ihm mein Spiel vorgestellt hatte, hatte er mir die Zusage für die Veröffentlichung gegeben. Es war also Zufall und auch etwas Glück, dass der Verlag bereit war, ein neues Spielegenre von einem neuen Autor aufzunehmen.
Die Redaktion: Was würden Sie jungen Menschen raten, die ebenfalls Spieleautor oder Spieleautorin werden wollen?
Michael Luu:
1. Geht zu Spielautorentreffen, z.B. in Göttingen und Haar, und tauscht euch aus. Ihr werdet auf viele Autoren, Redakteure, Blogger und andere Gleichgesinnte treffen.
2. Jede Rückmeldung von Testspielern dankend annehmen und aufschreiben. Auch wenn es schwer fällt, nicht in den „Rechtfertigungsmodus“ verfallen. Zu Hause in Ruhe bewerten, welche Punkte Beachtung finden sollten und welche nicht.
3. Wenn ihr beim Erklären eurer eigenen Spielidee merkt, dass ihr euch dabei unwohl fühlt, dann müsst ihr entweder das Erklären noch üben, oder etwas stimmt mit eurem Spiel noch nicht.
4. Wichtig: Verspürt ihr beim Testen eurer Spiele ein noch so leichtes Unbehagen, müsst ihr dem immer auf den Grund gehen.
5. Vergesst nicht auch mal zu spielen – nicht testen, sondern spielen! Das macht nicht nur Spaß und befreit euch von Denk-Blockaden, sondern ihr wechselt auch die Brille und seht, welche Dinge andere Spiele gut und weniger gut gemacht haben.
Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?
Michael Luu: Bei uns zu Hause wurde leider selten gespielt. Uno, Quartett, Vier gewinnt, Croco Doc, Monopoly beispielsweise waren zu Hause die häufig gespielten Spiele. Die ersten Spiele habe ich im Kindergarten- und Grundschulalter gespielt.
In der Oberstufe habe ich dann mit meinen besten Freunden fast jedes Wochenende gespielt. Wir haben immer mit einem chinesischen Stichspiel begonnen (mit Cent-Einsätzen) und haben den Abend durch Brettspiele ergänzt, die zu dem Zeitpunkt gefragt waren.
Ich erinnere mich dabei an Spiele wie Nobody is perfect, Siedler, Wer wird Millionär, Outburst, Cranium, Activity, Tabu, Bohnaza, Der Herr der Ringe … also eher Spiele mit wenig Regeln.
Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?
Michael Luu: Die stärksten Erinnerungen habe ich an Spieleabenden mit Freunden. Das liegt daran, dass ich mit ihnen sehr ausdauernd gespielt habe. Mit meinen Freunden war mir immer wichtig, dass wir gemeinsam Zeit verbringen und viel Spaß haben.
Wir hatten eine Gelddose, die sich durch unser Stichspiel-Ritual mehr und mehr füllte, und irgendwann sind wir dann gemeinsam schön Essen gegangen. Dieser Zeit weine ich immer noch hinterher. Naja, mir war auch wichtig, nicht zu oft zu verlieren 😉
Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?
Michael Luu: Sehr schwierige Frage. Aus der Geschichte mein Vater, der leider zu früh verstorben ist. Aus der heutigen Zeit Wieland Herold (Spiel des Jahres Juror, Rezensent und einzigartiger Vertreter der Spielekultur), Jens-Peter Schliemann (Spieleautor und mein Idol), Lothar Hemme (pensionierter Ravensburg Redakteur und einfach tolle Persönlichkeit), Dirk Geilenkeuser (gute Seele und Redakteur von Hans im Glück), Gert Breugelsmans (begeisterter Spieler und Rezensent von „Spelletjes Enzo“) und Inka und Markus Brandt (hier ist glaube ich keine nähere Beschreibung notwendig ;-D). Das sind alles Personen, zu denen ich aufblicke und die in meiner Entwicklung als Spieleautor eine sehr große Rolle spielen.
Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Kindern oder Freunden?
Michael Luu: Ich spiele sehr gerne Familienspiele, also einfache Regeln und kurze Spieldauer. Das liegt daran, dass ich in 8 Stunden lieber 8 Spiele spielen möchte als nur 1. Ansonsten spiele ich mit meinen Freunden alles, meistens die aktuelleren Spiele.
Ich habe das große Glück, dass ich ein richtig tolles und spielbegeistertes Pärchen kenne (Larissa und Michael, einfach klasse Freunde), mit denen ich immer ihre neuesten Errungenschaften spielen darf.
Die Redaktion: Schummeln Sie auch gern mal im Spiel?
Michael Luu: Niemals. Schummeln, um zu gewinnen, ist ein Vertrauensbruch (es sei denn, man spielt gerade „Mogelmotte“ oder „Schummel Hummel“). Für mich steht der Spaß im Vordergrund und den bekomme ich, sobald ich mit netten Spielern am Tisch sitze und spiele. Jeder strengt sich beim Spielen natürlich an, aber gewinnen ist für mich kein Muss.
Wenn in einer Runde jemand schummeln würde, nur weil er gewinnen möchte, dann spiele ich mit ihm das nächste Mal wahrscheinlich nicht mehr, weil wir unterschiedliche Interessen verfolgen.
Die Redaktion: Auf welche Frage hätten Sie in letzter Zeit keine Antwort?
Michael Luu: Wann ich wohl wieder zum Handball-Training gehe. Meine Trainerin weiß, dass ich sehr „beschäftigt“ bin und ich das Handball-Spielen hinter meine anderen Hobbys stelle. Das tut mir immer sehr Leid, weil ich dadurch kein zuverlässiger Kamerad bin.
Aufhören kommt für beide Seiten aber nicht in Frage. Das Spieleentwickeln ist neben der „normalen“ Arbeit wirklich nicht immer leicht unterzubringen und gerade in diesem Jahr habe ich einige Projekte zu erfüllen.
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Michael Luu: Ich möchte gerne in den nächsten Jahren meine Entwicklung als Spieleautor weiter beobachten. Spiele zu entwickeln ist tatsächlich nicht schwer.
Schwer ist nur, ein Spiel zu veröffentlichen, welches ein Verlag auch vermarkten kann.*grins* Ich will im Spieleerfinden besser werden und denke, dass ich durch den Austausch mit anderen Autoren, Spielern, Verlagen und Gleichgesinnten der Brettspielszene viel dazulernen kann.
Die Redaktion: Ich bedanke mich für die Zeit, die Sie sich für uns und das Interview genommen haben. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und vor allem viel Spaß.