
Nach den verehrenden Ereignissen in Japan und der 180°-Energiewende der schwarz-gelben Regierungskoalition ist das Ende der Atomkraft in Deutschland (vorläufig) besiegelt.
Doch der Castor wird noch einige Jahre weiterrollen. Mit caSTO(r)PP wird man das zwar auch nicht verhindern können, aber man kann zumindest nachfühlen, wie es wäre, wenn die Demonstrationen tatsächlich Erfolg hätten.
Die Folgen von Fukushima
Zu Beginn des Spiels war ich sehr skeptisch, denn nach wie vor sind die Castortransporte ein “heißes Eisen”. Tausende Menschen treibt es in regelmäßigen Abständen auf die Schienen, um gegen den Atommülltransport zu demonstrieren.
Nicht nur die Verbringung des radioaktiven Abfalls ist dabei Gegenstand der Kritik, sondern vor allem die Einlagerung in der Nähe von bewohnten Gebieten – von etwaigen Schäden an der Natur mal ganz abgesehen.
Im Fokus des Protests steht dabei auch die zweifelhafte Qualität der Lagerorte sowie die Frage, welche Protestarten legitim sind und welche nicht. Auch ist das Spannungsverhältnis zwischen Exekutive und Demonstranten ein regelmäßiges Thema: Was darf der Staat und was nicht? Welches Vorgehen der Polizei ist zu dulden und was ist illegitim?
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Wer nun glaubt, dass derlei kontroverse Fragen Gegenstand des Spiels sind, der irrt. Obgleich es interessant gewesen wäre, diese aufzugreifen, ist die hier vorliegende Spielmechanik deutlich unkomplizierter. Im Grunde ist das Spielprinzip nicht neu: Die Spieler müssen ein bestimmtes Ziel erreichen und sollen dabei diverse Hürden überwinden. Wer nun auf Ereigniskarten oder Ähnliches gehofft hat, den muss ich leider enttäuschen – es handelt sich um ein reines Würfel-Brettspiel.
Zwar gibt es “Ereignisfelder” mit unterschiedlicher Bedeutung, doch beschränkt sich deren Funktion auf das Geben einfacher Anweisungen (zurück zum Start, Nutzen einer Abkürzung, Antreten eines Rückzuges, Vorrücken des Castortransporters). Spielziel ist es, vor der radioaktiven Fracht (die sich langsam aber stetig fortbewegt), das Endlager zu erreichen und damit den erfolgreichen Transport zu verhindern.
Zwar spielt jeder für sich, dennoch eint das gemeinsame Ziel alle Spieler. Ein klassisches Gegeneinander gibt es in dem Sinne nicht, obgleich es durchaus ein Ansporn sein kann, vor den Anderen am Endlager zu sein.
Es müssen mindestens 2 Spieler mitmachen, die maximale Spielerzahl lässt jedoch nur 4 Teilnehmer zu. Natürlich ist es möglich, die Höchstzahl an Mitspielenden zu ignorieren, nur wird dadurch der Wettbewerbscharakter (Castor vs. Spieler) konterkariert.
Je mehr Teilnehmer, desto wahrscheinlicher, dass es einer der Spieler schafft, rechtzeitig ins Ziel zu kommen. Die durchschnittliche Spieldauer variiert dementsprechend auch in Abhängigkeit von der Anzahl der Mitspieler. Sinnvoll ist es, zwischen 15 Minuten und 30 Minuten für eine Runde einzuplanen.
Obwohl das Spielfeld an einigen Stellen reichlich verwirrend ist, lässt sich das caSTO(r)PP leicht spielen. Sowohl für sehr junge Einsteiger als auch für alte Veteranen ist das Spiel gut zu handhaben. Zwar ist zu bezweifeln, dass ein 6- oder 7-Jähriger den Hintergrund versteht, das Spieldesign jedoch ermöglicht eine prinzipiell unproblematisches Handling für jedwede Altersstufe.
caSTO(r)PP ist so gut wie überall spielbar: Egal, ob an einem lauschigen Spielabend, im Zug auf dem Weg zur nächsten Anti-Atom-Demo oder bei einem Sit-In nahe Gorleben, es bedarf nicht viel, um loszulegen. Die Spielsteine und Würfel (alles aus Holz) werden in einem kleinen Säckchen mitgeliefert und auch das ausrollbare, wasserabweisende Spielbrett selbst nimmt kaum Platz in Anspruch.
Das Einzige, was – zusätzlich dazu – benötigt wird, ist eine halbwegs ebene Auflagefläche – mehr nicht. Die Verpackung selbst muss nicht mitgeführt werden, obgleich diese, lobenswerterweise, recht stabil und mit einer aufgedruckten Spielanleitung versehen ist. Die Qualität der mitgelieferten Spielsteine spricht für sich: Die sind nicht nur stabil, sondern auch sehr schön gestaltet!
Das Spiel ist derart einfach zu verstehen, dass es keiner großen Erklärungen oder Proberunden bedarf, um loszulegen: Es eignet sich dadurch als Pausenfüller ebenso wie für eine Eröffnung eines Spielabends. Nicht einmal über großes Talent müssen die Teilnehmer verfügen: Die Erfolgsaussichten hängen ausschließlich am Würfelglück der Spieler.
Nicht komplex, dafür aber einfach
Nun zu der Frage, wie es uns gefallen hat: Es handelt sich um ein sehr einfaches Spiel mit altbekannter Spielmechanik, es wird hier also nichts Neues geboten. Einzig der Spielhintergrund bringt ein innovatives Element mit sich, Spiele mit politischen Impetus sind eher selten auf dem Spielmarkt anzutreffen. Vor allem in einem alternativen, grünen, linken oder atomkritischen Umfeld darf das Spiel auf positive Resonanz hoffen. Die Schwächen des Spiels resultieren jedoch aus eben diesem politischen Einschlag des Spiels:
Atomkraftbefürworter (bspw. in liberalen und konservativen Milieus zu finden) werden nicht sonderlich begeistert sein, zumal es auch im Lager der Atomkritiker eine Debatte um die Sinnhaftigkeit der Demonstrationen gegen den Castortransport gibt. Abgesehen davon fehlt es dem Spiel an Komplexität: Wer etwas Forderndes sucht, der wird ebenfalls kein besonders positives Resümee zu diesem Spiel ziehen können.
Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, beispielsweise wäre die Implementierung einer interaktiven Gegenseite (“Castortransport und Polizei” vs. “Demonstranten”) oder interessanter Ereigniskarten bedenkenswert gewesen.
Fazit
Unser Fazit fällt sehr ambivalent aus: Wer ein kurzweiliges und unkompliziertes Brettspiel für eine politisch interessierte, atomkraftskeptische Klientel sucht, der liegt mit diesem Spiel genau richtig.
Wer es etwas komplizierter und schwieriger mag – vielleicht auch die eigenen strategischen Fähigkeiten fordern will – der sollte sich etwas Anderes suchen. Das Spiel ist fast überall spielbar, obgleich man darauf achten sollte, das einem die Figuren und Würfel nicht abhandenkommen – wobei diese sich glücklicherweise relativ leicht ersetzen lassen.
caSTO(r)PP ist bei ATOMAKZ Production Ltd. erschienen und dort für knapp 30€ erhältlich. Es eignet sich für sehr junge, wie auch sehr alte Mitspieler. (S.Ziegler)