Sehr geehrter Herr Kai Haferkamp,
Kai Haferkamp ist einer der großen Spieleautoren in Deutschland. Seine Kreativität für originelle Spielideen ist international gefragt.
Ob für Kinder oder Erwachsene, ob für Spaß oder Strategie oder ob für etwas völlig Neues spielerischer Inhalt gesucht ist – Haferkamp liefert. Woher er seine Ideen nimmt? Dieser Frage sind wir nachgegangen, denn sie führt bei „Kinderspiele aus aller Welt“ zu einer interessanten Tatsache.
Redaktion: Herr Haferkamp, wie kam es zu Ihrem neuesten Spiel, einer Spielesammlung aus aller Herren Länder?
Kai Haferkamp: „Das war ein glückliches Zusammentreffen zweier Ideen und Schlüsselmomente. Für mich war es eine berührende Begegnung in einem Kindergarten.
Ich kam zum Testen einer neuen Spielidee in eine Gruppe, in der mir die Leiterin schon im Vorfeld signalisierte, dass es mit dem gemeinsamen Spielen schwierig werden würde. Manche Kinder in der Gruppe sprächen noch kaum Deutsch und seien sehr schüchtern.
Ich versuchte also das Eis bei einem kleinen Jungen zu brechen, der abseits stand, indem ich mit ihm ein einfaches Hände-Abklatsch-Spiel ausprobierte: Zwei Spieler sollten die Fingerspitzen der geschlossenen Hände aneinanderlegen und gegenseitig versuchen, sich abzuklatschen.“
Redaktion: Was passierte dann? Hat es funktioniert?
Kai Haferkamp: „Der berührende Moment war im wahrsten Sinne des Wortes, dass der kleine Junge nach dem Spiel meine Hand in seine nahm und mir mit der anderen Hand bedeutete, dass wir noch weitere Mitspieler brauchen würden.
Gesagt, getan, und so bildeten wir aus mehreren Kindern einen Kreis und der kleine Junge zeigte uns, was wir zu tun hatten: Es galt, den jeweiligen Nachbarn mit der einen Hand abzuklatschen, während man reihum versuchen musste, seinerseits die Hand schnell genug wegzuziehen: ein einfaches, kleines und dabei so „großes“ Spiel.
Denn dass bei diesem Spiel die Berührungsängste im Nu verschwunden waren und alle Kinder gemeinsam lachten und Spaß hatten, liegt buchstäblich auf der Hand.
Der kleine Junge indessen strahlte und war stolz, uns ein Spiel beigebracht zu haben, das – wie meine Recherchen ergaben – tatsächlich aus seiner Heimat stammte.
In diesem Moment wurde mir klar, dass Spielen eine Sprache ist, die man weltweit versteht. Und dass ein Spiel Menschen zusammenbringen kann und Berührungen ermöglicht, auf die man gemeinsam bauen kann. Genauso wie es dann auch innerhalb der Spielegruppe geschah.“
Redaktion: Was war das zweite Schlüsselerlebnis?
Kai Haferkamp: „Die Idee, aus dieser Erfahrung heraus ein neues Spiel zu machen, hätte ich wohl gar nicht umgesetzt, wenn ich nicht bei einem Treffen in Ravensburg von diesem berührenden Spielerlebnis erzählt hätte. Doch damit rannte ich bei den Ravensburgern offene Türen ein!
Eigentlich jeder in der Runde konnte aktuell von Erlebnissen mit Kindern aus anderen Kulturkreisen erzählen. Und alle machten dieselbe Erfahrung, dass das Spielen eine wichtige Schlüsselrolle zum gemeinsamen Erleben, Lachen und Miteinander ist.
Die Zeit war einfach reif, dass beide Seiten, Autor und Verlag, das Spiel als verbindendes Element entdeckten, das Kinder aus verschiedenen Ländern zusammenbringt! Spielen ist wie ein Band, das um die Welt reicht – das beschreibt wohl am besten das Bild, das wir plötzlich alle vor Augen hatten und das uns gemeinsam fasziniert hat.“
Redaktion: Wie kam es nun, dass aus den Erlebnissen eine ganze Sammlung von Spielen aus aller Welt wurde?
Kai Haferkamp: „Wer letztendlich den entscheidenden Satz gesagt hatte, weiß ich gar nicht mehr. Mit Feuereifer haben wir uns jedenfalls ans Werk gemacht. Ich habe unzählige Bücher über Spiele in fremden Kulturen konsultiert, im Internet recherchiert, Freunde und Bekannte gefragt und nach und nach eine große Liste an möglichen Spielen rund um den Globus zusammengetragen.
Auch die Ravensburger Redaktion machte sich intensiv auf die Suche. Gemeinsam haben wir aus einer Vielzahl an Spielideen jene ausgewählt, die uns als besonders schön und gut umsetzbar erschienen.“
Redaktion: Nach welchen Kriterien haben Sie die Spiele ausgewählt?
Kai Haferkamp: „Die Spiele sollten einen schnellen Einstieg mit einfachen Regeln bieten, so dass die Kinder in einer Partie möglichst viele Einzelspiele ausprobieren konnten. Dazu haben wir einen Mechanismus für ein übergeordnetes Spiel entwickelt, in dem die Kinder auf Weltreise gehen.
Sie sollten dabei andere Länder, Kontinente und Kulturen entdecken – als Basis zum gemeinsamen Erzählen und Erleben. Natürlich war es auch eine Herausforderung, all die verschiedenen Spielmaterialien in einer Schachtel unterzubringen. Und: Ehrensache, dass das eben erwähnte Hände-Abklatsch-Spiel unsere Nummer 1 war, mit dem wir die Sammlung begonnen haben.“
Redaktion: Und wenn ein Kind kein Spiel aus seiner Heimat findet?
Kai Haferkamp: „Es war einerseits interessant zu sehen, wie sehr sich Spiele aus völlig unterschiedlichen Gegenden der Erde trotzdem ähneln.
Da gibt es viele Überschneidungen. Und da andererseits auch die größte Spielesammlung niemals jeden Ort der Welt repräsentieren kann, haben wir bewusst eine Blanko-Karte beigelegt.
Sie soll Kinder ermutigen, ihr eigenes Spiel in die Sammlung aufzunehmen – als Anfang, miteinander zu reden, zu lachen und gemeinsam zu gewinnen.
Denn man spielt nicht, um zu gewinnen, sondern man gewinnt, indem man spielt: Freunde, menschliche Nähe, gemeinsame Zeit und Freude. Somit ist Spielen eine Sprache, die alle verbindet.“
Quelle: Ravensburger