Angesagt – Sarah Winkenstettes

Bildrechte Andreas Kühlken

Sehr geehrte Frau Sarah Winkenstettes,
Sie haben die Regie zum Film „Zu weit weg“ geführt, der endlich (nach dem Corona-bedingten Lockdown) nun bundesweit in den Kinos anläuft, und schon zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Können Sie kurz verraten, um was es in dem Film geht?

Sarah Winkenstettes: Um Heimatverlust und Integration. Ben ist 11 und muss mit seiner Familie umziehen, weil sein

Dorf dem Braunkohleabbau weichen muss. Er freut sich auf die größere Stadt und den besseren Fußballverein – doch leider hat dort niemand auf ihn gewartet. Den Rest gibt es im Kino …

Die Redaktion: Im Film geht es um Freundschaft, über die Kulturen hinaus. Wie wichtig ist Freundschaft für Sie selber? Und wie wichtig ist Integration für Sie?

Sarah Winkenstettes: Freundschaft ist das Allerwichtigste. Egal, ob es mir gut oder schlecht geht – ich muss Emotionen und Erlebnisse teilen. Und Freunde sind – ähnlich wie Kinder – ein Spiegel, über die ich wahnsinnig viel gelernt habe. Auch über mich selber.

Und Freunde helfen natürlich bei der Integration. Egal, ob ich eine neue Arbeitsstelle anfange oder in ein neues Land komme. Gibt es jemanden, den ich mag und dem ich vertrauen kann, kann ich mich auch leichter integrieren.

Die Redaktion: Kinder sind ehrlich und offen. Inwieweit ist das für die Regie eine Herausforderung?

Sarah Winkenstettes: Ihre Ehrlichkeit und Offenheit sehe ich nicht als Herausforderung, sondern als Geschenk. Ich probe gerne und viel mit meinen Schauspielern und mit Kindern kann man da manchmal auch einfach ganz verrückte Sachen machen, die vielleicht auf den ersten Blick unsinnig sind.

Erwachsene Schauspieler schauen einen da schon mal etwas irritiert an, aber Kinder – zumindest wenn sie spielfreudig sind, was die wichtigste Voraussetzung ist – machen einfach und lassen sich ganz auf mich ein.

Bild Farb Film Verleih

Die Redaktion: Neben dem Thema Integration spielt auch das Thema Umweltschutz eine Rolle.

Für die Kohle soll ein ganzes Dorf weichen. Auf der einen Seite bietet die Kohle Jobs und auf der anderen Seite müssen wir uns für den Umweltschutz bewegen, wenn wir diesen Planeten erhalten wollen. Wie schwer ist es als Filmemacherin, dieses ernste und wichtige Thema filmtechnisch umzusetzen?

Sarah Winkenstettes: Grundsätzlich ist das Thema Braunkohle mit den riesigen Gruben und den Geisterdörfern sehr filmisch und optisch sehr beeindruckend. Das Problem war allerdings, dass all diese Motive der RWE gehören und die uns kurz vor den Dreharbeiten die Drehgenehmigungen wieder entzogen haben.

Wahrscheinlich, weil im Hintergrund die Proteste rund um den Hambacher Forst hoch kochten. Schlussendlich hat die Familie, der „Bens altes Haus“ gehörte, sehr für uns gekämpft. Sie hingen sehr an ihrem Haus und wollten durch unseren Film eine bleibende Erinnerung haben.

Ich weiß nicht genau, wie sie es geschafft haben, aber einige Motive bekamen wir dann doch zurück. Ein Glück!

Die Redaktion: Wie viel von Ihnen selber steckt in diesem Film?

Sarah Winkenstettes: Sehr viel. Einige Situationen rund um die Familie habe ich fast 1 zu 1 aus meinem Alltag geklaut. Aber auch die Gefühle, die vor allem Ben durchlebt, sind mir sehr bekannt. Ich glaube, ich kann gar nicht anders inszenieren, als aus mir selber und meinem Erleben heraus. Zumindest ein Stück weit.

Die Redaktion: Was hat Sie dazu bewegt, das zu tun, was Sie heute tun?

Sarah Winkenstettes: Ich bin erst über Umwege zum Film gekommen. Ich bin auf dem Land großgeworden, da kannte man niemanden, der beim Film arbeitet. So habe ich erstmal als Journalistin angefangen – erst bei der Zeitung, später beim Fernsehen – und dabei gemerkt, dass ich eigentlich lieber inszeniere. Und dann habe ich noch mal an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert.

Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?

Sarah Winkenstettes: Viel. Ich kann mich aber vor allem an stundenlange Canasta-Nachmittage mit meiner Mutter erinnern. Aber auch „Das Nilpferd in der Achterbahn“, „Tabu“ oder eben Klassiker wie Memory oder Monopoly.

Bildrechte Andreas Kühlken

Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?

Sarah Winkenstettes: Zu gewinnen. Ich muss es leider so sagen …

Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?

Sarah Winkenstettes: Sir Peter Ustinov, Leonardo Da Vinci und Pippi Langstrumpf – ich glaube, dass wäre eine sehr unterhaltsame und interessante Runde.

Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Freunden?

Sarah Winkenstettes: Carcassonne. Aber auch Kniffel, Skip-Bo, Phase 10.

Die Redaktion: Was schätzen Sie am gemeinsamen Spiel?

Sarah Winkenstettes: Dass man viel über sich und sein Gegenüber lernt.

Die Redaktion: Wenn Sie eine Sache auf der Welt verändern dürften, was wäre das?

Sarah Winkenstettes: Die Empathiefähigkeit der Leute. Könnten sich die Menschen besser in andere hineinversetzen, wäre der Welt ein Stück geholfen, glaube ich …

Die Redaktion: Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?

Sarah Winkenstettes: Verbringe so viel Zeit wie möglich mit Sachen, die dir Freude machen.

Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?

Sarah Winkenstettes: Ich arbeite an verschiedenen Filmstoffen – sowohl für Kinder als auch für Erwachsene.

Informationen zum Film gibt es hier.

 

Über Die Redaktion 14591 Artikel
Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 20 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.