Interview mit Kirsten Boie zu „Gangster müssen clever sein“

Bild Privat

Die Redaktion: Hatten Sie schon beim Schreiben von „Der Junge, der Gedanken lesen konnte“ und „Entführung mit Jagdleopard“ geplant, dass sich Valentin und Jamie-Lee treffen werden und es sogar ein Buch mit den beiden zusammen als Hauptfiguren geben soll? Oder wie ist die Idee entstanden?

Kirsten Boie: Nein! Die beiden anderen Bücher sind ganz unabhängig entstanden. Aber irgendwann habe ich gedacht, wie dumm es war, diese Charaktere nicht miteinander zu verbinden: Sie leben ja im selben sozialen Umfeld, und die Bilder, die mir beim Schreiben durch den Kopf gegangen sind, hatten alle mit demselben Hamburger Stadtteil zu tun.

(Ich sage nicht, mit welchem!) Astrid Lindgren hat gesagt, immer, wenn sie über eine Küche geschrieben hat, war das in ihrem Kopf dieselbe Küche, auch wenn es natürlich in allen Büchern eigentlich eine ganz unterschiedliche war. So ist es mir mit diesem Stadtteil gegangen. Darum dachte ich: Dann können die Kinder aus den beiden Büchern doch auch mal gemeinsam ermitteln! Wenn sie schon Nachbar:innen sind!

Die Redaktion: In dem Buch werden auch ernstere Themen angesprochen wie z.B., dass Jamie-Lees und Chuckys Mutter alkoholabhängig ist oder, dass Mesut sich immer wieder rassistische Bemerkungen anhören muss. Ist es schwer, diese Themen passend für ein Kinderbuch darzustellen?

Kirsten Boie: Ich weiß ja, nicht, ob es geklappt hat, ich versuche es einfach. Über beide Themen weiß ich einiges, deshalb fand ich es nicht so schwierig, darüber zu schreiben – meine Sorge ist aber, dass, vor allem zu Jamie-Lees Mutter der Vorwurf kommen wird, so eine Darstellung wäre diskriminierend.

Nur, solange die Wirklichkeit Kinder in so diskriminierenden Umständen leben lässt, sollte es doch auch möglich sein, darüber zu schreiben? Um anderen Kindern in glücklicheren Umständen zu zeigen, wie Gleichaltrige manchmal leben müssen und wie unglaublich sie das meistern?

Bild Oetinger Verlag

Die Redaktion: Die Kinder in „Gangster müssen clever sein“ kommen aus verschiedenen sozialen Schichten, was sie nicht davon abhält alle zusammen einen Kriminalfall zu lösen. Glauben Sie, dass es wichtig ist, mehr die verschiedenen Facetten der Gesellschaft in Büchern darzustellen? Und denken Sie, dass dies Kindern hilft, mehr über den eigenen Tellerrand zu sehen?

Kirsten Boie: Ich halte das für ganz, ganz wichtig! Wir sehen ja seit Jahrzehnten, wie die soziale Schere bei uns immer weiter auseinandergeht, statt sich zu schließen. Das hat ganz sicher auch damit zu tun, dass wir alle in unseren Blasen leben, und bei den politischen Entscheidungsträgern ist das eben in der Regel eine sehr bildungsbürgerliche, mittelschichtige Blase.

Davon, wie Kinder wie Jamie-Lee leben, wissen sie kaum etwas und sie treffen ihre Entscheidungen darum häufig naiv – sie meinen es nicht böse, sie wissen es einfach nicht besser. Sonst würden sie vielleicht viel mehr Finanzmittel für z.B., Bildung in benachteiligten Stadtteilen ausgeben. – Wenn Kinder durch Bücher schon einmal auf diese Situation aufmerksam gemacht werden, kann das vielleicht auf längere Sicht helfen?

Die Redaktion: Sind alle Ihre Figuren vollkommen frei erfunden oder ist die ein oder andere Figur auch an echte Menschen angelehnt?

Kirsten Boie: Nein, die sind frei erfunden. Da bin ich sehr vorsichtig! Ich möchte ja nicht, dass Menschen, die mit zu tun haben, fürchten müssen, dass sie sich dann irgendwann in einem Buch wiederfinden! Das würde ja alle Kontakte belasten!

Die Redaktion: Haben Sie einen Lieblingscharakter in „Gangster müssen clever sein“?

Kirsten Boie: Nicht wirklich. Vielleicht Jamie-Lee. Sie ist so tapfer.

Die Redaktion: Welche Szene hat Ihnen beim Schreiben besonders viel Spaß gemacht und warum?

Kirsten Boie: Das kann ich gar nichts sagen! Ich kann ja nur schreiben, wenn ich auch Spaß dabei habe. Insofern: Eigentlich alle!

Die Redaktion: Haben Sie als Kind gerne Krimis gelesen (wenn ja lesen sie diese noch immer gerne?) und hatten Sie einen Lieblingskrimi oder eine Krimireihe?

Kirsten Boie: Damals sah die Kinderbuchwelt ja noch ganz anders aus: Es gab nicht einen Bruchteil so viele Bücher wie heute, und leider auch nicht so viele spannende! Ich habe „Kalle Blomquist“ geliebt, aber auch die Krimis von Enid Blyton. Und auch heute lese ich noch Krimis, finde es aber schwierig, Bücher zu finden, die mich überzeugen.

Das braucht ja schon eine gewisse Komplexität, bei der Handlung, der Darstellung der Gesellschaft, der Entwicklung der Charaktere – und der Sprache. Nach Krimis, die all diese Anforderungen erfüllen, suche ich dann immer.

Verlag Oetinger

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