Sehr geehrte Frau Böhm,
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ampelmännchen als „Ampelchen“ lebendig werden zu lassen?
Anna Böhm: Letztlich ist es mit Ideen immer so: Sie sind einfach da. Da steht man an einer Ampel und wartet und betrachtet das rote Männchen – und schon stellt man sich vor, wie das Männchen zurück winkt.
Und wie es ihm eigentlich gerade geht. Ob es eine Meinung über die Fußgänger hat, die ständig bei ihm warten. Als meine Kinder klein waren, habe ich gemerkt, wie wichtig ihre unmittelbare Umgebung für sie ist. Dazu gehört auch der Weg zur Schule. Daher waren die grünen und roten Männchen öfter mal Thema bei uns.
Was macht die Geschichte der Ampelchen für diese Zielgruppe so besonders?
Anna Böhm: Es ging mir vor allem darum, spannenden Alltag zu erzählen. Denn Grundschulkinder sind gerade erst dabei, die Welt um sie herum zu entdecken. Der Weg zur Schule, den Schlüssel nicht verlieren, erste Konflikte allein lösen, selber Essen machen, auf sich gestellt sein – das ist eine tolle und freie neue Lebenssituation.
Deshalb ist Clärchen auch ein Schlüsselkind, obwohl sie nicht gerade die beste Kandidatin dafür ist – vom Temperament her erinnert sie schwer an ein grünes Ampelchen. Aber auch wenn sie ihren Schlüssel nicht immer findet, erleben sie und ihr Freund Emre viele schöne Dinge, denn der Alltag hält vieles bereit – wenn man denn mal das Handy weglegt und sich (ganz grünes Ampelchen) auf den Weg macht.
Die Ampelchen haben sehr individuelle Charaktereigenschaften. Wie haben Sie die einzelnen Figuren entwickelt?
Anna Böhm: Es gibt bei Ampelchen ein Grundprinzip: Die Roten sind vorsichtige Bremser, Nachdenker und Warner, die von ihrer Natur aus erstmal STOPP! sagen. Im Grunde genommen ähneln sie uns Erwachsenen. Die Grünen sind spontane kleine Chaoten, denn in der Ampel ist ihre Aufgabe, GEHEN! zu sagen; ein bisschen wie Kinder.
Aber anders als wir Menschen kommen Ampelchen mit diesen Unterschieden sehr gut klar und wissen, dass eine Ampel nur durch diese Gegensätze funktionieren kann. Es ist also auch ein Plädoyer für mehr Freude an der Andersartigkeit unserer Mitmenschen (und Mitampelchen). Dass die Ampelchen verschiedene Charaktere haben, war ihre persönliche Entscheidung, da habe ich mich gar nicht groß eingemischt.
Hätten Sie selbst gerne magische Freunde wie die Ampelchen?
Anna Böhm: Als Kind hätte ich sie sehr gern gehabt, denn Ampelchen sind tolle Unterstützer im Alltag. Ich hätte sie mit in die Schule genommen, um Streiche zu spielen, mir aus kniffligen Situationen zu helfen und vor allem auch, um bei Ungerechtigkeiten zu helfen. Denn Ampelchen haben einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und am Nachmittag hätten wir zusammen viel erlebt.
Sind Ampelchen eigentlich wirklich magische Wesen?
Anna Böhm: Nein, sie entstammen der Realität und vieles spricht dafür, dass es sie wirklich gibt. Ich würde es als Alltagsmagie bezeichnen. Etwas, das Kinder noch sehr viel besser sehen können. Die Ampelchen sind zwar auch ein bisschen magisch, aber trotzdem sind die Geschichten im Hier und Jetzt angesiedelt.
Das Leben in der Stadt spielt eine zentrale Rolle im Buch. Was hat Sie dazu inspiriert?
Anna Böhm: Mir war es wichtig, Stadt auch mal als einen schönen Ort zu erzählen, als einen Ort für Abenteuer, denn über die Hälfte der Kinder lebt in Städten. Es gilt lustige Leute kennenzulernen, und ja, auch ein paar ärgerliche Typen sind dabei, aber auch damit muss man lernen umzugehen.
Man kann Strecken allein zurücklegen, Orte entdecken und die konkrete Welt um sich herum wahrnehmen.
Nach „Emmi & Einschwein“ oder „Die Tierpolizei“ ist „Die Ampelchen“ nun eine neue Buchreihe für Leseanfänger*innen aus Ihrer Feder. Was bereitet Ihnen Spaß daran, für dieses Lesealter Geschichten zu schreiben?
Anna Böhm: Für mich ist es eine besondere Ehre, für diese Zielgruppe zu schreiben! Sie machen sich gerade erst auf den Weg, um die Welt der Bücher zu entdecken – ist das nicht toll?! Oft höre ich von Eltern: „Mit deinen Büchern haben unsere Kinder lesen gelernt“. Was will man als Autorin mehr?
In meinen Lesungen merke ich immer wieder, dass Kinder unter 10 Jahren so phantasievoll sind, dass es ihnen total egal ist, ob die Geschichten real oder ausgedacht sind. Sie sind überaus begeisterungsfähig und steigen voll und ganz in die Geschichten ein, das macht natürlich viel Spaß. Sie sind offen für alle möglichen Themen und machen sich viele Gedanken über diese Welt, auf die wir sie loslassen.
Außerdem ist es mir sehr wichtig, ein Angebot an die Phantasie der Kinder zu machen, also auch Freiräume für Fragen, Gedanken und eigene Ideen zu lassen.
„Die Ampelchen“ wurden zunächst als Hörspiel geschrieben und inszeniert. Wie kam es dazu, dass die Geschichte nun in Buchform erscheint?
Anna Böhm: Das Hörspiel „Ampelmännchen sind keine Haustiere“ lief 2009 zum ersten Mal auf Deutschlandradio Kultur und ich habe sofort gemerkt, dass Kinder begeistert von der Idee waren und sie selbst weitergesponnen haben.
Aber in einem Hörspiel kann man die Dinge nur anreißen, und ich habe schon lange den Plan gehabt, Bücher daraus zu machen, auch der Oetinger Verlag war von Anfang an begeistert. Jetzt habe ich endlich die Zeit dazu gefunden.
Was waren die Herausforderungen dabei, das Hörspiel als Buch umzuschreiben?
Anna Böhm: Herausforderung würde ich es gar nicht mal nennen, sondern eher Chance. Hörspieltexte sind sehr kurz und knapp, da muss man sich auf das Wesentliche beschränken und es macht großen Spaß, für ein Buchmanuskript aus dem Vollen zu schöpfen.
Einzige Schwierigkeit war nur, die Welt der Ampelchen etwas logischer zu gestalten, denn in der Kürze des Hörspiels musste ich auf diese Fragen nicht eingehen, für eine Buchreihe muss das Worldbuilding aber durchdacht sein.
Zum Auftakt erscheinen gleich zwei Bände der „Ampelchen“, Band 3 folgt im Juli. Haben Sie schon Ideen für weitere Geschichten?
Anna Böhm: Ja, jede Menge. Wenn Ampelchen erstmal lebendig sind, wollen sie sehr viele Abenteuer erleben. Besonders die Grünen sind kaum zu stoppen – das liegt in ihrem Wesen.
Die Roten betrachten unsere Welt ein wenig vorsichtiger, sind aber auch schon sehr gespannt und stellen viele lustige Thesen darüber auf.
Mit freundlicher Unterstützung durch den Oetinger Verlag