Das Neue Museum Nürnberg feiert 2019 wie ganz Deutschland und viele internationale Partner das Gründungsjubiläum des Bauhauses in Weimar.
Die legendäre Schule für Gestaltung verändert seit 100 Jahren das Bild unserer Welt. Ihre Konzepte für Bildung und Produktion, und damit letztendlich für die Gestaltung eines neuen Miteinanders, sind bis heute unübertroffen.
Produktives und überaus innovatives Element war der spielerische Ansatz im bildnerischen Prozess der Bauhaus-Lehre und noch immer ist für das tief verankerte Bedürfnis nach kreativem Ausdruck das Spiel als künstlerische Strategie besonders wegweisend.
Die Bauhaus-spezifische und bis heute bewährte Einbindung von Spielkonzepten und Spielräumen in die gestalterische Entwicklung verfolgt die umfangreiche Ausstellung BAU [ SPIEL ] HAUS im Neuen Museum Nürnberg.
Reformpädagogische Theorien des 19. Jahrhunderts werden ihren Ausprägungsformen im aktuellen Zeitgeist gegenübergestellt und Friedrich Fröbels Spielgaben treffen auf LEGO Architecture, Kreativlabore des Silicon Valley sowie zeitgenössische Positionen in Kunst und Design. Heute, wo Computerspiele salonfähig und Intelligenz programmierbar geworden sind, scheinen Fragen nach Innovation und Kreativität in zeitgemäßen Lebens- und Arbeitsentwürfen aktueller denn je.
Schon Bauhaus-Meister wie Walter Gropius und Johannes Itten erkannten das weitreichende soziale und gestalterische Potential des Spiels – zu einer Zeit, in der es galt, aus den Trümmern der alten Welt Neues zu erschaffen. Sie machten das Spielerische zur Grundlage ihrer interdisziplinären Vorkurse und die 1919 in Johannes Ittens Antrittsvorlesung manifestierte Idee einer Verbindung von Arbeit und Spiel wurde programmatisch.
Die Bauhaus-Schule nutzte die menschliche Motivation zum Spielen als Motor für Entwicklung und Gestaltung. Das Neue Museum spürt dieser Tradition nach und verfolgt die Tradierung des Bauhaus-Vermächtnisses über die Gegenwart bis in die Zukunft hinein.
Die Ausstellung BAU [ SPIEL ] HAUS widmet sich in thematischen Clustern einer besonderen, der Bauhaus-Lehre innewohnenden Spielkultur, durch die auf revolutionäre Weise ein neuer Zugang zu kreativem Ausdruck ermöglicht werden sollte. Reformpädagogische Ansätze der Zeit, am prominentesten von Friedrich Fröbel und Maria Montessori vertreten, wurden in die Bauhaus-Pädagogik integriert.
Das zeigt sich anschaulich an dem Bauauftrag an Walter Gropius und das Bauhaus für ein „Fröbel-Haus“, das aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte: Die radikale Verschränkung von Spielen und Arbeiten wurde später aber im Entwurf des Dessauer Bauhausgebäudes übernommen, Gropius sprach hier liebevoll von seinem „Baukasten im Großen“.
Von besonderer Bedeutung für die Vermittlung dieser spielerischen Kultur über den Atlantik war der Bauhaus-Schüler und spätere Werkmeister Josef Albers, der 1933 in die USA emigrierte und so die Bauhaus-Pädagogik unter anderem am Black Mountain-College vertrat. Von hier strahlten die mächtigen Kreativitätsmodelle über Architekten wie Richard Buckminster-Fuller in die amerikanische Counterculture der 1960er und 1970er Jahre aus.
In ländlichen Hippie-Kommunen wie Drop City wurden, parallel zu den Revolutionen in der Informationstechnologie, Muster neuer Lebensformen entwickelt und erprobt, die maßgeblichen Einfluss auf die Philosophie heute weltumspannender Konzerne wie SAP, Apple, Google, Facebook und Amazon hatten. Wegweisend wurde die so adaptierte und weiterentwickelte spielerische Kultur des Bauhauses auch von den Akteuren der Creative Economy Mitte der 1990er Jahre aufgenommen.
Die Themencluster der Ausstellung machen nicht nur Spielkonzepte und Spielräume, sondern auch deren vielschichtige Auswirkungen bis hinein in virtuelle Sphären greifbar.
Mit Alma Siedhoff-Buschers polyfunktionalem Spielzimmer in dem würfelförmigen Weimarer Musterhaus „Haus am Horn“ veranschaulicht BAU [ SPIEL ] HAUS ein radikales Spielkonzept: Jedes Element des Zimmers ist auf Offenheit und Kreativität angelegt und so können Staukästen als Sitzkuben genutzt, ein Schrank zum Puppentheater oder eine Wickelkommode zum Schreibtisch umfunktioniert werden.
In Form originaler und rekonstruierter Möbel und Spielzeuge, zugehöriger Entwurfszeichnungen und Publikationen tritt das Spielzimmer in einen spannenden Dialog mit heutigen Möbelstücken, aber auch mit populären, pädagogisch gepriesenen Computerspielen. Ergänzt wird die Ausstellung von eigens produzierten installativ-performativen Arbeiten, unter anderem von Olaf Nicolai und Liam Gillick.
Die Stadt Nürnberg, in der Institutionen wie das Spielzeugmuseum, das Deutsche Spielearchiv oder die weltweit renommierte Spielwarenmesse beheimatet sind, hat eine jahrhundertealte Spieletradition. Die vor dieser Kulisse konzipierte, umfangreiche Ausstellung nimmt mit der Bauhaus-Ära (1919-1933) eine Epoche in den Fokus, in der das Spiel generell Konjunktur hatte.
BAU [ SPIEL ] HAUS feiert mit über hundert Werken aus über hundert Jahren dieses Vermächtnis und seine noch immer zukunftsweisenden Ansätze, aber auch die Lust am Spielen selbst: Sowohl der Ausstellungsraum als auch das Begleitprogramm laden zum Schauen, Lernen und Partizipieren ein, blicken in die Vergangenheit und machen neugierig auf Zukünftiges.
Mit zeitgenössischen künstlerischen Beiträgen u. a. von Liam Gillick (GB) und Olaf Nicolai.
Ab 22.03.2019