Sehr geehrter Herr Thomas Feibel,
Was sollten Eltern beachten, wenn ihre Kinder zum ersten Mal fernsehen?
Thomas Feibel: Bei den ersten Fernseherfahrungen junger Kinder ist es besonders wichtig, auf qualitativ hochwertige und altersgerechte Inhalte zu achten und nichts dem Zufall zu überlassen.
Darum setzen sich Eltern gerade zu Beginn mit ihnen gemeinsam vor den Bildschirm, um herauszufinden, was ihren Jüngsten gefällt. Schauen Kinder später alleine, sollten wir in Rufnähe bleiben und regelmäßig nachsehen, ob vielleicht das Programm gewechselt hat und es dem Kind noch gut geht.
Auch auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an: Kurz vor dem Zubettgehen wirkt sich fernzusehen eher ungünstig auf den Schlaf aus und kann schlechte Träume verursachen.
Die Redaktion: Viele Eltern und Erziehungsberechtigte stellen sich generell die Frage, wieviel Mediennutzung denn nun im Rahmen ist – besonders im Hinblick auf Kinder im Vorschulalter. Haben Sie da eine Faustregel?
Thomas Feibel: Junge Kinder benötigen eine besonders behutsame Heranführung an Bild-schirmmedien. Die allgemeine Empfehlung von Experten lautet dazu, dass Drei- bis Sechsjährige nicht länger als eine halbe Stunde mit Fernsehen, Tablet oder Computer verbringen sollten. Solange Eltern also darauf achten, was ihre Kinder mit welchen Medien machen und wie lange sie dies tun, kann wenig schief gehen.
Die Mediennutzung sollte allerdings nur ein Angebot unter vielen anderen sein und nicht den Alltag des Kindes bestimmen. Vergessen wir nicht: Junge Kinder sind vor allem kleine Entdecker.
Sie lernen jeden Tag etwas über sich und ihre Welt dazu. Hierfür müssen sie auch genug Gelegenheit haben, um ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dazu gehören Aktivitäten wie beispielsweise das freie Spiel, Malen, Basteln, körperliche Bewegung oder die sozialen Interaktionen mit Gleichaltrigen.
Die Redaktion: Inwiefern können Kinder von guten Medieninhalten profitieren? Und was sind geeignete Inhalte für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren?
Thomas Feibel: Junge Kinder können immer von guten Medieninhalten profitieren, denn sie sind neugierig und wissbegierig. Sie ziehen für sich aus allen möglichen Formaten nützliche Informationen heraus. So regen sie diese Inhalte zum Denken an und können durch kindgerechte Dialoge und Formulierungen auch ihren Sprach- und Wissensschatz erweitern.
Dazu müssen es nicht immer allein Bildungsformate sein, sondern auch gute, altersgemäße Unterhaltung, die ihre Fantasie beflügelt und sogar ihre Empathie fördern kann.
Schließlich geht es darin oft um für junge Kinder besonders wichtige Werte wie Freundschaft, Zusammenhalt oder Gerechtigkeit. Und richtig Spaß machen und lustig sein darf die Beschäftigung mit Medien natürlich auch.
Die Redaktion: Wie nehmen Kinder im Vorschul-Alter Medien (TV, Tablet, Handy, Kino etc.) wahr? Auf was sollte man als Eltern besonders achten?
Thomas Feibel: Viele Eltern möchten ihre Kinder vor zu übertriebener Mediennutzung schützen. Das ist auch vollkommen richtig. Wir erziehen Kinder allerdings nicht nur mit Worten und Regeln allein, sondern auch mit unserem eigenen Medienverhalten. Das ist uns aber meistens nicht so bewusst. Kinder sind aber gnadenlose Beobachter und ahmen uns nach. Sie erkennen ganz genau, welchen Stellenwert Medien in der Familie haben.
Das Smartphone ist dafür ein gutes Beispiel. Kinder bekommen mit, dass wir selten ohne dieses Gerät das Haus verlassen und dass Anrufe und Messenger-Nachrichten offensichtlich alles unterbrechen dürfen.
Darum sollten Eltern stärker auf ihre Vorbildfunktion achten. Es geht um Momente der ungeteilten Aufmerksamkeit mit ihren Kindern. Lieber eine halbe Stunde ohne Handy mit den Kindern auf dem Spielplatz gehen, finden Experten, als mehrere Stunden mitdem Handy zu spielen.
Die Redaktion: Gibt es vielleicht sogar einen pädagogischen Mehrwert, wenn man Kinder ab einem gewissen Alter Medien zugänglich macht?
Thomas Feibel: Wir alle leben in einer stark von digitalen Medien geprägten Welt. Und wir wissen schon jetzt, dass es kaum einen Beruf geben wird, der ohne Kenntnisse der Digitalwelt auskommen dürfte.
Für Kinder ist es wichtig, frühzeitig einen guten und gesunden Umgang damit zu erlernen. Mit einem Tablet können sie Filme sehen und Apps spielen, aber sie damit auch selbst aktiv werden und zum Beispiel Fotos machen oder ein Video drehen.
So lernen junge Kinder im Vorschulalter digitale Geräte auch als Werkzeug kennen. Darum hat das Thema Medienkompetenz in der frühkindlichen Bildung enorm an Bedeutung gewonnen. In zahlreichen Kitas kommen bereits Tablets in pädagogischen Projekten zum Einsatz.
Die Redaktion: Und wie lautet die Faustregel, wenn die Kinder älter werden?
Thomas Feibel: Ich halte es für empfehlenswert, wenn Kindern eine fest vereinbarte Bildschirmzeit zur Verfügung steht. Dann können sie es sich selbst einteilen, ob sie lieber gamen, fernsehen oder streamen wollen. Seit aber Kinder ein eigenes Smartphone haben, ist die Kontrolle, was sie und wann sie damit etwas machen, schwieriger geworden. Darum lautet meine Regel: Es muss in der Familie handyfreie Zeiten geben – für Kinder und Eltern.
Also beim Essen zum Beispiel, aber auch keine digitalen Geräte über Nacht im Kinderzimmer.
Die Redaktion: Worauf sollten Eltern achten, wenn sie dem Kind das Tablet in die Hand drücken?
Thomas Feibel: Das kommt auf das jeweilige Alter an, aber auf jeden Fall sollten Schulkinder erstmal einen Medienführerschein machen, um Chancen nutzen und Gefahren einschätzen zu können. Eltern sollten die Kaufmöglichkeiten einschränken und die Jugendschutzeinstellungen nutzen.
Das klappt bei Kindern im Grundschulalter sehr gut, im Teenageralter wird es knifflig. Darum rate ich dazu mit Kindern gemeinsam einen Mediennutzungsvertrag (www.mediennutzungsvertrag.de) abzuschließen, die sämtliche Rechte und Pflichten festhalten. Aber auch das muss kontrolliert werden.
Die Redaktion: Wir sind ein Familienspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?
Thomas Feibel: Meine Eltern hatten wenig Zeit. Wenn wir zusammen gespielt haben, dann meist Brettspiele wie Mensch-ärger-dich-nicht oder Monopoly. Ich hätte mir gewünscht, meine Eltern hätten häufiger mit mir gespielt, andererseits wurde so aber auch meine Fantasie angeregt. Ich habe mir als Kind viele Spiele und Abenteuer selbst ausgedacht und bin darin regelrecht versunken. Diese Fähigkeit nutzt mir heute als Schriftsteller und Spieletester.
Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?
Thomas Feibel: Mit meinen Großeltern habe ich viel Rommé und Canasta gespielt. Schon damals habe ich gespürt, dass Zeit für das Spiel immer auch Zeit für mich war.
Ich habe diese exklusive Zeit sehr genossen. Darum habe ich auch sehr viel mit meinen Kindern gespielt. Zu Hause, auf langen Fahrten oder einfach so zwischendrin.
Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?
Thomas Feibel: Ich würde meinen Vater dazu nehmen. Er hatte keine wirkliche Kindheit und musste zu schnell erwachsen werden. Diese Kindheit würde ich ihm durch lange Spieleabende zurückgeben und ich bin sicher, dass wir beide unsere helle Freude daran hätten.
Die Redaktion: Was schätzen Sie am gemeinsamen Spiel?
Thomas Feibel: Kaum etwas fördert die sozialen Bindungen und stärkt das Vertrauen so gut wie das gemeinsame Spiel. Kinder spüren, dass wir Zeit für sie haben und das gibt ihnen außerhalb der alltäglichen Abläufe Gelegenheit und Raum, um uns Dinge zu erzählen, die sie beschäftigen.
Ich schätze Spiele, in denen alle die gleichen Chancen haben. Sicher, man soll Kinder nicht gewinnen lassen, aber sie auch nicht mit großem Ehrgeiz besiegen wollen. Spielen ist die große Chance, unseren Kindern zu zeigen, dass wir gemeinsam und aneinander Freude haben können.
Die Redaktion: Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?
Thomas Feibel: Viele Menschen verlieren im Erwachsenenleben die Fähigkeit und die Muße zum Spiel. Das ist mir nie passiert. Viele denken auch, dass Spielen sinnlos und Zeitverschwendung sei, doch das Gegenteil ist der Fall.
Spielen macht einfach glücklich. Ich weiß nicht, was ich mir selbst raten soll, denn ich habe nie die Verbindung zum inneren Kind verloren. Ob Sie es glauben oder nicht: Ich bin immer noch ein zehn Jahre alter Junge und bin sehr froh, dass ich mir das erhalten habe.
Infoecke
Thomas Feibel ist Autor und Journalist in Sachen Kinder und Digitales in Deutschland. Als Medienexperte leitet er das Büro für Kindermedien in Berlin (www.feibel.de) und publiziert unter anderem für SPIEGEL, Stiftung Warentest, c’t, aber auch für Kinderzeitschriften wie Stafette und Dein Spiegel.
Einen Namen machte er sich unter anderem mit dem etablierten Standardwerk „Der Kinder-Software- Ratgeber“. Seit 2002 verleiht er als Initiator den deutschen Kindersoftwarepreis TOMMI (https://tommi.kids/) der seit 2010 unter der Schirmherrschaft des Bundesfamilienministeriums steht.
Darüber hinaus verfasst Thomas Feibel viele Sachbücher und zahlreiche Kinder- und Jugendbücher. In seinen Kinder- und Jugendromanen setzt er sich mit den Schattenseiten des Medienzeitalters auseinander, in dem Kinder heute aufwachsen. Thomas Feibel hält zahlreiche Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare.
Hier geht es zur Disney Aktion https://www.kinderspielmagazin.de/2023/08/30/back-to-kindergarten/